Kurzgeschichte: Der Sohn vom alten Wastel

Der alte Wastel liegt mal wieder in seiner Hundehütte und langweilt sich. Die Mücken schwirren um ihn herum. Es juckt! Wastel kratzt sich am Ohr. Benno, sein Sohn, tollt mit einem kleinen Ball herum. Wastel: „Benno, du verbrennst dir den Pelz in der warmen Sonne. Benno: „Du spinnst! So heiß ist es nicht.“ Als der Tag zur Neige geht, liegt Wastel immer noch in der Hütte. Der Hauskater Barni sitzt vorm Kellerfenster. Er faucht, als er Benno auf sich zutraben sieht. Benno: „Barni, hör auf.“ Es ist schon spät, die Nacht ist hereingebrochen. Barnis Augen funkeln in der Dunkelheit. Wastel schnarcht. Benno hat es sich auch in seiner Hundehütte bequem gemacht. Am Morgen ertönt ein lautes Geräusch, alle sind wach. Der Bauer hat seinen Traktor angeworfen. Wastel gähnt. Benno: „Schon wieder aufstehn?“ Ein leises flehendes Fiepen ist aus dem Mülleimer nebenan zu vernehmen. Benno spitzt die Ohren. Wastel scheint das nicht zu intressieren. Benno wagt sich an den Eimer, so aus reiner Neugier. Er stupst daran mit der Nase. Der Eimer fällt plötzlich um. Wastel: „Eine Maus, nur eine Maus!“ Gegen Mittag gibt es was zu fressen. Benno: „Wieder dieses billige Hundefutter, immer dieses billige Hundefutter!“ Wastel: „Reg‘ dich nicht auf, andere haben es viel schlechter als du.“ Am Nachmittag kommt Kaspar der Spitz vom Nachbarhof zu Besuch. Benno: „Hast Du mal wieder Neuigkeiten für uns, Kaspar?“ Wastel und Barni spitzen die Ohren. Kaspar erzählt, dass in der alten Hauswirtschaftsschule morgen Mittag wieder leckere Sachen gekocht werden. Kaspar: „Wenn ihr mögt, können wir morgen mal wieder ein bisschen stibitzen gehen.“ Barni: „Oh prima, da gibt es wieder Fisch sicher. Am nächsten Tag gegen elf Uhr traben die vier los. Es riecht schon bald sehr lecker. Kaspar: „Pudding, ich liebe nichts mehr als Pudding!“ Die Küche ist im Keller der Schule. Die Schülerinnen stellen immer alles auf die Kellerfensterbänke zum Abkühlen. Benno hat Wurstbrote entdeckt. Er freut sich: „Endlich mal was anderes als billiges Hundefutter.“ Die Freude ist kurz, die Schülerinnen haben die vier entdeckt, scheuchen sie weg und schließen die Fenster. Wastel: „Das Kotlett war gut!“ Barni: „Mir hat es auch geschmeckt, Sardinen, lecker!“ Es ist Juli, Hochsommer. An einem Nachmittag spaziert Lillien, die feine Hundedame, mit Herrchen die Straße entlang. Benno hatte schon immer ein Auge auf sie geworfen. Wastel: „Na los, Benno, begrüß die feine Lady!“ Benno und Lillien beschnuppern sich. Lillien scheint nicht so begeistert zu sein. Benno bellt sie an. Lillien: „Das schickt sich nicht in meinen Kreisen.“ In den folgenden Nächten träumt Benno nur noch von Lillien. Dann gesteht er Wastel seine Liebe zu Lillien. Wastel: „Aber Benno, diese Dame bevorzugt nur Rüden von der edlen Sorte, du bist aber nur ein Mischling.“ Benno: „Aber wenn sie mich doch auch liebt?“ Wastel: „Aber Benno, sie beachtet dich doch kaum!“ Benno schleicht traurig in seine Hundehütte. Er frisst kaum noch etwas, ihm geht es echt dreckig. Nachts heult er manchmal. Wastel und Barni können das Elend kaum noch mit ansehen. Sie versuchen ihn zu trösten, aber Benno liegt nur noch flach da. Wastel: „Ja, ja, die erste Liebe!“ Barni: „Ja, ja, das kenn‘ ich!“ Nach sechs Wochen Trauer geht es Benno dann wieder besser. Die Tante ist ihm inzwischen egal, sagt er. Heute, ein Jahr später, ist er stolzer Vater von sechs Welpen, Mischlinge. Ende. © Jens Große-Brauckmann