Berlin (rpo). Arme Kinder haben in der Schule schlechte Karten. Sie schaffen es nur selten auf höhere Schulen, auch wenn sie bessere Noten haben als ihre Altersgenossen gutsituierten Familien. Erschreckende Statistik: Von 100 armen Kindergartenkindern kommen nur vier aufs Gymnasium. Von ihren besser gestellten Klassenkameraden sind es 30.
Die Untersuchung macht Armut als ursächlichen Grund für schlechte Bildung aus. „Armut bestimmt die Schullaufbahn und das Leben der Kinder“, beklagte der AWO-Vorsitzende Wilhelm Schmidt (SPD). Armen Kindern blieben zukunftssichernde Bildungswege verschlossen. Als Konsequenz forderte die Organisation den Ausbau von Betreuungseinrichtungen und frühe Einzelförderung, um ihre Benachteiligung auszugleichen und ihre Chancen zu verbessern.
Für die Studie beobachtete das Frankfurter Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) 500 Kinder von 1997 bis 2005. Danach ist jeder zweite Hauptschüler arm, das heißt, sie und ihre Familien müssen mit weniger als der Hälfte des Durchschnittseinkommens auskommen. Auf dem Gymnasium ist es nur jeder elfte. Dreieinhalb mal so viele arme wie bessergestellte Kinder wiederholen schon in der Grundschule eine Klasse. Dabei sind Söhne und Töchter von Alleinerziehenden doppelt so oft betroffen.
Die Armut der Familien beeinflusst der Studie zufolge auch die Bewertung der schulischen Leistungen durch die Lehrer. Der niedrige Anteil armer Kinder auf dem Gymnasium sei nicht nur auf deren schlechtere Leistungen in der Grundschule zurückzuführen, sondern hänge auch mit den niedrigeren Schullaufbahn-Empfehlungen der Lehrer und den geringeren Bildungserwartungen der Eltern zusammen, hieß es. Die besten Durchschnittsnoten fänden sich stets bei den Kindern, die in gesichertem Wohlstand aufwüchsen. Etliche arme Kinder kämen trotz gleicher Noten in schlechtere Schulformen, etliche sogar trotz besserer oder sogar sehr guter Noten.
„Alles andere als sozial schwach“
Die Wissenschaftler stellten bei ihrer Langzeitstudie eine „Drittelgesellschaft“ fest: Nur ein Drittel der Kinder lebe in relativ gesichertem Wohlstand, je ein weiteres Drittel unter Armutsbedingungen oder in einer jederzeit gefährdeten Situation knapp über der Armutsgrenze. Die Arbeitslosigkeit der Eltern nahm in dem Zeitraum zu. Auffällig fanden die Wissenschaftler, dass jedes zweite arme Kind in einer „working-poor-Familie“ lebt, das heißt, dass die Eltern trotz Erwerbstätigkeit nicht über die Armutsschwelle hinaus kommen.
AWO-Chef Schmidt wandte sich in diesem Zusammenhang nachdrücklich dagegen, von einkommensarmen Menschen als „sozial Schwache“ zu sprechen. Sie seien im Gegenteil „alles andere als sozial schwach“, betonte er. „Von den meisten der in der Untersuchung befragten ‚armen‘ Eltern wird eine nur schwer vorstellbare Stärke verlangt, ihre Situation täglich zu bewältigen und für ihre Kinder zu sorgen.“
Quelle: RP-Online