Documenta-Besuch mit der deutsch-polnischen SchülerInnengruppe. Lange Schlangen vor den Eingängen, viele Besucher in der letzten Woche dieses Welt-Kulturereignisses. Glücklicherweise mit einer Führung durch die Hintereingänge in die großen hellweiß gestrichenen Eingangshallen gekommen. „Seht ihr was?“, will die junge Begleiterin wissen. Suchende Blicke – „eigentlich nichts“, traut sich eine Schülerin zu antworten. Währenddesssen denken alle: Hier zieht’s! Die ersten schließen ihre Jacken und schlagen den Kragen hoch. Der Zugwind verstärkt sich innerhalb der Räume noch. „Ihr kennt doch den Ausspruch: Morgen weht ein anderer Wind!“ Das Nachdenken beginnt. Gilt das auch für uns? Für mich? Wird etwas anders, wenn wir uns auf diese Documenta einlassen?
„Zusammenbruch und Wiederaufbau“ ist das Motto der 13. Documenta, das uns in aller Vielfalt betreffen kann und manchmal betroffen machen kann. Vielleicht wenn wir die zellenartige Holzrahmenkonstruktion über die Zeit des PolPot-Regimes in Kambodscha sehen. Oder die hochpolitischen Wandteppiche aus den 30er Jahren mit Mussolinis Einmarsch in Äthiopien, dem spanischen Bürgerkrieg, Hitlers Ermordung der Oppositionellen und der Verdrängung des christlichen Kreuzes durch die Hakenkreuze. Wollte die schwedische Künstlerin Hannah Ryggen die Teppiche im Wohnzimmer aufhängen?
Beeindruckend auch der riesige Wandteppich, der aussieht wie ein Gemälde. Er wurde von der in Warschau geborenen Künstlerin Goshka Macuga in Auftrag gegeben und bildet afghanische Kulturschaffende vor den Ruinen des Darul-Aman-Palastes in Kabul ab.(Foto oben) Um ein Wechselspiel zu bewirken, hängt in Kabul ein zweiter Teppich, der eine Szenerie aus Kassel zeigt.
Geographische und historische Verbindungslinien werden an vielen Stellen gezogen. Zum Beispiel zwischen den 2001 von den Taliban zerstörten Buddha-Statuen von Bamiyan und den 1941 im Museum Fridericianum verbrannten Bücher der kurhessischen Landesbibliothek. Der amerikanische Künstler Michael Rakowitz zieht mit seiner Installation auf der documenta in Kassel die Verbindungslinie. Oder im Hugenottenhaus in der Kasseler Innenstadt: Das 1829 erbaute Haus steht seit Jahrzehnten leer und ist nahezu in Vergessenheit geraten. Gates erschließt das Gebäude seit April mit seinem Team parallel zu einem ähnlich gelagerten Haus in Chicago.
Die deutsch polnische SchülerInnengruppe war auf das Thema „Zusammenbruch und Wiederaufbau“ schon im Morgennebel des Tages von Martin Harms, einem der Initiatoren des Schüleraustausches, vorbereitet worden, als er die Geschichte der Herkulesstatue beschrieb, die den Bombern des 2.Weltkrieges als Orientierung diente, um im Sturzflug Kassel zerstören zu können.
Auf die Frage, was der Höhepunkt des einwöchigen Besuchsprogramms gewesen sei, antwortet Agnieszka Hincmann spontan: „Die Documenta in Kassel.“ Wojcieck Mankowski dagegen gibt zu: „Diese Kunst ist nichts für mich. Ich fand die Vorführung in der Adlerwarte am besten“