Mit dieser Frage konfrontierte Alper Bayindir Schülerinnen und Schüler der Klassen 7c und 7d. Denn er war ins Hermann-Vöchting-Gymnasium gekommen, um im Rahmen des Unterrichtsthemas „Eine neue Heimat finden? – Ursachen und Folgen von Migration“ von seiner bewegenden Geschichte zu erzählen, die ihn vor einigen Jahren nach Blomberg gebracht hat.
Herr Bayindir hatte sich bereit erklärt, von seiner Verfolgung in der Türkei, der Flucht und der Aufnahme in Deutschland zu berichten und im Anschluss die Fragen der Klassen zu beantworten. Das war schon deshalb eine Herausforderung, da es eine Zeit dauert, bis Geflüchtete Deutschunterricht erhalten, und dann braucht es noch mehr Zeit, bis man sich fließend in der neuen Sprache verständigen kann (Stichwort der – die – das!). Doch Herr Bayindir zeigte auf beeindruckende Weise, dass es bereits nach zwei Jahren möglich ist, einen freien Vortrag zu halten und darüber hinaus mit der Gruppe zu kommunizieren.
Doch der Reihe nach. Alper Bayindir ist Doktor der türkischen Sprache und Literatur und Autor von 20 Büchern. Er arbeitete in Istanbul, besaß Haus und Auto. Doch ein einziger Tag veränderte sein Leben und das seiner Familie – der Tag an die Polizei zu ihm nach Hause kam.
Herr Bayindir hatte die Regierung – Grund genug, um inhaftiert zu werden. In diesem Moment befinden sich viele Menschen aus politischen Gründen in Haft. Doch dieses Schicksal wollte Herr Bayindir nicht abwarten, er entschloss sich am 2. März 2019 zur Flucht. Gemeinsam mit seiner Frau nahm er den Weg zur nahegelegenen griechischen Grenze und überquerte den Grenzfluss Evros unter Lebensgefahr. In Griechenland glücklich angekommen mussten sie die ersten Tage in einem Gefängnis verbringen, bis schließlich die Weiterreise nach Deutschland gestattet wurde.
Seitdem geht es ihm darum, sein Leben neu aufzubauen. Mit Unterstützung des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) gelang es Herrn Bayindir nach kurzem Aufenthalt in einer zur Notunterkunft umgebauten Kaserne in Münster eine Bleibe in Blomberg zu finden. Hier begannen neben intensiven Deutschstudien die Planungen für die Zukunft. „Am liebsten würde ich als Türkischlehrer arbeiten. Die Arbeit mit Schülern fehlt mir.“, beschrieb er seine Hoffnung.
Auf die Frage, was er an Deutschland besser fände als an der Türkei, antwortete Herr Bayindir, dass er die Rechtsicherheit schätzen würde und besonders die Meinungsfreiheit. Sehr anschaulich stellte er dar, dass der Mensch über allem anderen Freiheit zum persönlichen Glück brauche, Brot, fände man überall, selbst im Gefängnis, Freiheit jedoch sei ein kostbares Gut. Weiterhin gefiele ihm der Straßenverkehr, wo die Menschen sich tatsächlich an die Regeln hielten, während in der Türkei die Hupe das wichtigste Kommunikationsmittel sei. Lediglich das Wetter wäre in der Türkei deutlich besser.
„Meine Heimat ist nicht nur die Türkei, sondern auch Deutschland“ fasste Herr Bayindir die vergangenen Jahre zusammen. Als Ratschlag gab er den Schülern und Schülerinnen das Streben nach „Empathie, Toleranz, Dialog und Respekt“ mit auf den Weg, nur so könnten wir wirksam zum Frieden in der Welt beitragen.
Die Klassen 7c und 7d bedanken sich bei Herrn Bayindir herzlich für seine offenen Worte und wünschen ihm und seiner Familie alles Gute für die Zukunft.
(H. Witkop)