Einen Einblick in das Pädagogik-Studium wollten die Schülerinnen durch die Teilnahme an Seminarveranstaltungen in Universität und Fachhochschule gewinnen. Das Hauptinteresse des Pädagogik-Kurses der 13.Jahrgangsstufe galt jedoch der Bielefelder „Laborschule“. Die Schülerinnen wollten etwas mehr über eine der bekanntesten Reformschulen Deutschlands erfahren.
In zwei Stunden versuchte die Schulleiterin Prof. Dr. Susanne Thurn die pädagogische Konzeption und den Alltag in der Schule zu beschreiben. Ein Rundgang durch die „Schule ohne Klassenräume“ schloss sich an.
„Wie sollen die Kinder daran gewöhnt werden, dass sie Leistung bringen müssen?“ Diese besorgte Frage tauchte immer wieder auf, als die Schülerinnen des Pädagogik-Kurses den Beschreibungen der Schulleiterin zuhörten. Schulleiterin Prof. Dr. Susanne Thurn beschrieb ihre „etwas andere Schule“, die nun schon seit mehr als 30 Jahren existiert. Immer politisch umstritten, immer auch von Unverständnis begleitet, aber dennoch auf ihren Reformwegen erfolgreich.
Die Kinder werden schon mit fünf Jahren eingeschult, durchlaufen vier Dreijahresabschnitte und schließen die Schule mit den „normalen“ Sekundarstufenabschlüssen nach der 10.Klasse ab.
Bis zur Jahrgangsstufe 9 gibt es keine Notengebung. „Unvorstellbar! Das geht doch nicht“, war der Tenor der Schülerinnen. „Doch, es geht“, versuchte die Schulleiterin immer wieder klar zu machen. Die Labor-SchülerInnen werden bestärkt, ihre individuellen Fähigkeiten einzusetzen und zu entwickeln. Jedem wird das Bestmögliche abverlangt. Die Lernschwächeren werden zu Leistungen angespornt, die Lernstarken aber ebenso. Haben die Lernstärkeren ihre Möglichkeiten nicht voll eingesetzt, werden sie kritisiert und weiter angespornt, obwohl ihr Arbeitsergebnis besser ist als das der Lernschwächeren.
„Ungerecht!“ tönte es aus der Zuhörerschaft. „Genau“, gibt die Schulleiterin zu. Das erscheine ungerecht. Aber alle Kinder würden sehr individuell ihren Möglichkeiten entsprechend gefördert und gefordert.
Zu den pädagogischen Grundsätzen gehört die positive Nutzung der Heterogenität. Die zuhause behüteten „Bullerbü-Mädchen“ lernten von den „Hardrocker-Buben“ einiges, was sie noch nicht können, und umgekehrt genauso. Dieser Austausch und die gegenseitige Hilfe in der Gemeinschaft werde systematisch in jahrgangsübergreifenden Gruppen gefördert. Die Bullerbü-Mädchen lernen das Skaten und die Hardrocker-Buben das Lesen und Vorlesen mit Unterstützung ihrer Mitschülerinnen.
Überraschend auch die Überlegungen zur Mädchen- und Jungenerziehung. Dass sich bei Bedarf die Jungen einer Lerngruppe oder auch die Mädchen zu getrennten Beratungen zurückziehen, habe sich inzwischen eingespielt. Die unterschiedlichen Interessen würden anschließend gemeinsam wieder zusammengeführt.
Schulleiterin Prof. Dr. Susanne Thurn berichtete, dass es auffällig gewesen sei, dass die Mädchen in der Jahrgangsstufe 7 bei ihren Zukunftsvorstellungen neben Beruf immer auch ihre Familien- und Kinderwünsche mit genannt hätten, die Jungen jedoch nur von beruflichen Karrieren gesprochen hätten. Es habe sich herausgestellt, dass zudem die Jungen in dem Alter eine regelrechte Scheu vor kleinen Kindern hätten. Was also tun?
Es wurde ein „Haushaltspass eingeführt, den alle erwerben müssen. In der Schule wird Wäsche- Waschen, Bügeln, Putzen und Kochen gelernt. Als Hausaufgaben – von den Eltern zu bestätigen – müssen Badezimmer geputzt werden.
Am erfogreichsten für die Jungen jedoch sei ein Praktikum in einer Kindertagesstätte. Es sei ein überwältigendes Erlebnis für die Jungen, von den Kleinkindern als Erwachsene „angehimmelt“ zu werden, für sie aber auch verantwortlich zu sein, andererseits mit den Kleinen noch spielen zu können.
Wer all diese Qualifikationen erworben habe, bekomme den „Haushaltspass“.
In der Schulpraxis müssten diese Fähigkeiten gezielt bei Reisen eingesetzt werden. Es würden immer Selbstversorgerunterkünfte gewählt. Dabei sei abwechselnd eine Schülergruppe für die gesamte Verpflegung eines Tages zuständig. Seitdem die SchülerInnen selbst planen, einkaufen und für alle kochen müssten, gebe es kein Gemecker mehr über das Essen.
Selbstverständlich sei es, dass die Mädchen zum Beispiel in der Metall- oder Holzwerkstatt arbeiteten oder in der Fahrradwerkstatt aktiv seien.
Ein nachdenklich machender Nachmittag in der Laborschule Bielefeld. „Geht das wirklich?“ Die Frage bleibt.