Bericht vom Praktikum bei der Volkswagen AG, Wolfsburg
von Joachim Harms/ Jahrggst.11
„1,66 Millionen VW- Currywürste produzieren wir jährlich“. Dies war eine der ersten Weisheiten, die mir mein Praktikumsbetreuer auf die Nase band, kurz nachdem ich ihn am ersten Praktikumstag kennen gelernt hatte. Dennoch muss ich sagen, dass es einen reellen Bezug zu dieser VW- Spezialität gab, zeichneten wir doch gerade in meinen Werksplan die rund ein dutzend Kantinen des Werkes ein.
Mittlerweile habe ich natürlich zur Absatzsteigerung der Currywurstproduktion beigetragen, nachdem ich in zweieinhalb Wochen bei einem der weltweit größten Arbeitgeber eine Menge lernen und erfahren konnte.
Meine erste von insgesamt drei Stationen war der Leitstand der Touran-Produktion. Der Touran, Volkswagens boomender Familienvan, wird von der Auto5000 GmbH hoch effizient und in immer neuen Rekordstückzahlen hergestellt. Das von VW- Personalvorstand Dr. Peter Hartz (Namensgeber und Entwickler von „Hartz IV“) entwickelte Tarifmodell „5000×5000“, in dem rund 5000 Arbeitnehmer, entlohnt mit ehemals 5000 DM, ein Auto bauen sollten, fand in der Auto5000 GmbH seine perfekte Vollendung.
Rund um die Uhr wird von montags bis freitags, übrigens fast komplett von Volkswagen unabhängig, produziert, zurzeit können über 800 Fahrzeuge, verteilt auf drei Schichten, in 24 Stunden fertig gestellt werden.
Meine Aufgabe im Leitstand, der ohne den Einsatz von High-Tech gar nicht vorstellbar wäre, bestand darin, an mehreren der rund 20 Computer die Lackiervorgänge zu überwachen und für die kostengünstige Bestückung der Decklacklinien zu sorgen.
Sicherlich kann man einem Praktikanten nur kleinere Aufgaben zuteilen, doch hatte ich hier das Gefühl, einen gewissen eigenen Aufsichtsbereich zu haben.
Auch sonst wurde mir der Aufenthalt im Leitstand so angenehm wie möglich gestaltet, jeder der Mitarbeiter war stets bereit, mir die verschiedensten Produktionsbereiche genauestens anhand einer Führung zu zeigen und zu erläutern.
Genauso durfte ich auch an der allmorgendlichen Briefing-Runde teilnehmen, in der teilweise vertrauliche Daten und Zahlen erläutert wurden. Insgesamt wurde mir während der gesamten Praktikumszeit ein enormes Vertrauen entgegen gebracht, was sicherlich in dieser Form absolut außergewöhnlich war.
Die zweite Woche führte mich dann in die Autostadt, ganz so, wie ich es mir anfangs gegenüber meinem Betreuer wünschen durfte.
Die Autostadt, im Mai 2000 als Volkswagens Beitrag zur Weltausstellung EXPO (Hannover) gegründet, verzeichnet in absehbarer Zeit ihren 10millionsten Besucher. Dieser, von allen Seiten unerwartete Erfolg, ist auf ein schlüssiges Konzept der erlebnisreichen Fahrzeugabholung zurückzuführen. Aber auch Besuchern, die nicht mit einem neuen Auto nach Hause fahren, wird ein faszinierender Einblick in die automobile (VW-) Welt geboten.
Anders als die Adam Opel AG, deren ähnlicher Versuch eines Abholungscenters fatal fehlschlug, bemühten sich die Wolfsburger, die Markenfamilie (Audi, Bentley, Lamborghini, Seat, Skoda und Volkswagen) in einer parkähnlichen Anlage zu präsentieren.
Eingerahmt vom Luxushotel „The Ritz- Carlton“, dem begeisternden Zeithaus zur Geschichte des Automobils, dem Kundencenter zur Fahrzeugabholung und den beiden Fahrzeugtürmen, in der die zur Auslieferung bereiten Fahrzeuge geparkt werden, scheint dies bestens gelungen.
Dass hinter der Autostadt aber noch vielmehr steckt, durfte ich während meiner Zeit dort erfahren.
Meine Rundreise durch die verschiedenen Bereiche, die ich innerhalb einer Woche komplett durchlaufen sollte, begann im Verkauf von Fahrzeugen an Werksangehörige. Dieser unscheinbare Markt mit einem maximalen Absatzvolumen von ca. 240.000 Einheiten genießt innerhalb des Konzerns eine gesicherte Priorität, können doch die Werksangehörigen in Deutschland (Beschäftigte, Rentner) zu vergünstigten Konditionen ihre Autos beziehen und somit permanent für eine gewisse Präsenz von VW- Fahrzeugen auf deutschen Straßen sorgen.
Logisch, dass ein solcher Markt einen ganzen Vertriebsapparat mit sich bringt, der allerdings ziemlich unauffällig im KundenCenter der Autostadt untergebracht ist.
Weiter ging es dann, mit Umwegen über die VW- Jahreswagenvermittlung in Wolfsburg-Fallersleben und die Zulassungsabteilung für WA-Fahrzeuge, in die Auslieferung an den Kunden.
Hier, wo kein Unterschied mehr zwischen Werksangehörigem und normalem Kunden gemacht wird, konnte ich besonders viele Eindrücke sammeln, da wohl der Umgang mit dem Typus Mensch die meisten Überraschungen bereithält.
Vom neuen Golf GTI bis zur Luxuslimousine Phaeton, die nur in Ausnahmefällen anstelle der Gläsernen Manufaktur (Dresden) in der Autostadt ausgeliefert wird, konnte ich die verschiedensten Auslieferungen begleiten, die dann jeweils mit der Übergabe des geschossenen Fotos von Auto und stolzem Besitzer endeten.
Eine der letzten Autostadtstationen war die AbholerWelt. Hier kommt es zum ersten Kontakt mit dem Fahrzeugabholer nach seiner Ankunft in Wolfsburg. Gerade hier, wo es darauf ankommt, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft und perfekten Service zu zeigen, stellte ich fest, dass es auch während solch einen Praktikums zu negativen Erfahrungen kommen kann.
Als es darum ging, mir einen Mitarbeiter für meine kurze Zeit in dieser Abteilung zuzuweisen, verhielt sich besonders eine Mitarbeiterin inakzeptabel und beinahe unverschämt.
Dann jedoch merkte ich, was ein Chef bzw. eine Chefin, gerade bei Volkswagen, ausmacht: Nachdem die Abteilungsleiterin aus der Kaffeepause wieder erschienen war, änderte sich die Situation erheblich: Jeder der Abteilung zeigte sich nun hilfsbereit, umgehend wurde ein Plan aufgestellt, wie ich hier meine restliche Zeit verbringen sollte.
Dieser führte mich dann unter anderem ins „The Ritz- Carlton“, womit die Situation von vorhin vollends entschädigt war. Mehr als ein paar Kennzeichen abzuholen gab es jedoch nicht.
Die letzten drei Tage meines Praktikums durfte ich wieder wunschgemäß verbringen: Im Rechtswesen vom Volkswagenkonzern konnte ich noch einmal, einem Syndikus unterstellt, tolle und wichtige Erkenntnisse mitnehmen und die Arbeit eines Juristen in solch einem Unternehmen mit der immerhin gigantischen Zahl von 335.000 Mitarbeiter weltweit kennen- und schätzen lernen.
Mein Vorgesetzter war allerdings „nur“ für die Rechtsfragen und juristischen Angelegenheiten von rund 42.000 Mitarbeitern der Werke Hannover, Salzgitter, Braunschweig und Kassel zuständig. Immerhin reichte es dafür, dass ich mit ihm gemeinsam mehrere Termine vor dem Arbeits- und Landesarbeitsgericht in Hannover wahrnehmen konnte.
Auch hier erfuhr ich in einem unvorstellbaren Maße, was das Wort „Vertrauensbeweis“ eigentlich bedeutet. Auch für fachliche Diskussionen, durchaus bezogen auf die verschiedenen Fälle, blieb Zeit.
Gerade diese drei Tage zum Abschluss erwiesen sich als Volltreffer meines Betreuers, von dessen Unterstützung ich jederzeit ausgehen konnte. Auch dies scheint im Hinblick auf Praktikumserlebnisse meiner Mitschüler nicht immer selbstverständlich.
Alles in allem war meine Zeit bei der Volkswagen AG eine fantastische Möglichkeit, einen weit reichenden Einblick in ein Unternehmen dieser Größenordnung zu bekommen. Jedem, dem überhaupt eine Chance zum Kennenlernen eines Betriebes durch ein Praktikum geboten wird, kann ich nur sagen: Nutze sie!