Der SoWi-Kurs von Michael Hanke hatte geladen und alle kamen: Am 13.09. diskutierten die Wahlkreiskandidat(inn)en der im Bundestag vertretenen Parteien in der gut gefüllten Aula des HVG über politische Schwerpunktthemen und stellten sich den kritischen Fragen der Schüler(innen).
Die Politik der vergangenen vier Jahre, die Herausforderungen der Energiewende und die europäische Krisenpolitik – das waren nur einige der Themen, die im Rahmen der ersten politischen Podiumsdiskussion am HVG auf dem Programm standen. Unter der souveränen Leitung von Pascal Stumpf und Marcel Schlepper hatten Cajus Caesar (CDU), Dirk Becker (SPD), Markus Schiek (FDP), Ute Koczy (Bündnis 90/Die Grünen) und Berndt Wobig (Die Linke) gut 90 Minuten Zeit, die anwesenden Schüler(innen) der Jahrgangsstufe 12 in einer lebhaften und kontrovers geführten Debatte von ihren politischen Standpunkten zu überzeugen.
Zunächst bekamen die Wahlkreiskandidaten die Chance, sich selbst und ihre wichtigsten politischen Arbeitsfelder kurz vorzustellen, bevor eine kritische Bilanz der letzten Legislaturperiode gezogen werden sollte. Die anschließenden Stellungnahmen ließen bereits typische argumentative Muster erkennen, die fortan die gesamte Debatte prägten: Denn während die Vertreter der Regierungsparteien die Entwicklung Deutschlands in den vergangenen vier Jahren als facettenreiche Erfolgsgeschichte darstellten, zeichnete die Opposition das düstere Bild einer sozial gespaltenen Gesellschaft, in der immer mehr Menschen nur noch in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt seien und Wohlstand zu einem Privileg (viel zu) weniger Bürger geworden sei. Wobig (Die Linke) sprach bildreich von einer “Unwucht”, die dazu führe, dass die Gesellschaft nicht mehr “rund“ laufe.
Auch im Hinblick auf den Ausstieg aus der Atomenergie und die damit verbundene Energiewende herrschte Uneinigkeit: Hier warfen Dirk Becker (SPD), Ute Koczy (Bündnis 90/Die Grünen) und Berndt Wobig (Die Linke) der Bundesregierung unter Angela Merkel insbesondere vor, umweltpolitische Entscheidungen nicht aus Überzeugung, sondern aus wahltaktischem Kalkül getroffen zu haben. Schließlich habe die Regierung zunächst die Nutzung der Atomkraft ausweiten wollen und erst nach der Katastrophe von Fukushima unter dem Druck der öffentlichen Meinung eine politische Kehrtwende vollzogen. Cajus Caesar (CDU) verteidigte hingegen diesen Schritt als notwendige Maßnahme, plädierte für eine Ausweitung der Nutzung erneuerbarer Energien und zeigte sich offen für Korrekturen am umweltpolitischen Kurs seiner Partei. Markus Schiek (FDP) verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass eine Folge der Abschaltung von – aus seiner Sicht – sicheren deutschen Atomkraftwerken sei, dass man nun Strom aus weniger zuverlässigen ausländischen Anlagen beziehen müsse.
Nicht ganz so verhärtet waren die Fronten im Hinblick auf die Strategien zur Lösung der europäischen Schuldenkrise. Hier erwies sich zumindest die These, dass Deutschland andere Staaten weiterhin unterstützen und den europäischen Gedanken solidarisch stärken müsse, als konsensfähig, wenn auch heftig um finanzpolitische Detailfragen gerungen wurde.
Besonders spannend gestaltete sich gegen Ende der Veranstaltung die Fragerunde, in der sich die Schüler(innen) des HVG direkt an einzelne Kandidaten bzw. an die Kandidatin wenden konnten. So wich Caesar auf die kritische Frage, wie er zum Adoptionsrecht für homosexuelle Paare stehe, das die CDU nach wie vor vehement ablehne, unter Hinweis auf ein Urteil des Verfassungsgerichts überraschend einsilbig aus: Man wolle dieses Urteil zur Gleichstellung homosexueller Paare zwar umsetzen, aber beim Adoptionsrecht nicht darüber hinaus gehen. Deutlich wurde Koczy (Bündnis 90/Die Grünen), als ihr ein Schüler mitteilte, er habe im Unterricht gelernt, dass es den Klimawandel gar nicht gebe und er frage sich nun, wie sich angesichts dieser Tatsache die Umweltpolitik der Grünen noch legitimieren lasse. Koczy konterte mit dem Verweis auf einschlägige Studien, die die Existenz des Klimawandels bestätigen, und bot an, mit Wissenschaftlern das HVG zu besuchen, um die strittigen Fragen zu klären. Dieses Angebot wurde unter großem Beifall angenommen. Finanzexperte Schiek wiederum mühte sich, plausibel zu machen, warum in der Debatte wiederholt von einem ausgeglichenen Haushalt die Rede gehen konnte, obwohl doch immer noch weitere Schulden gemacht werden. Dies sei – so Schiek – auf den Unterschied zwischen einem „ordentlich“ und einem bloß „strukturell“ ausgeglichenen Haushalt zurückzuführen. Letzteren gebe es bereits jetzt, ersterer werde im nächsten Jahr angestrebt. Weitere Themen, zu denen die Wahlkreiskandidaten Farbe bekennen mussten, waren u.a. die NSA-Affäre, der Syrien-Konflikt und das Betreuungsgeld.
Trotz aller inhaltlichen Differenzen und zum Teil heftiger (und durchaus unterhaltsamer) Kontroversen waren sich alle Teilnehmer am Schluss der Debatte in einem Punkt einig: dass man am 22.09.2013 von seinem Wahlrecht Gebrauch machen und die zukünftige Entwicklung des Landes auf diese Weise aktiv mitbestimmen solle.
(Text und Bild: Axel Krommer)