Die Orgel, mit ihrem enormen Klangspektrum und ihrer technisch, architektonisch sowie musikalisch höchst anspruchsvollen Bauweise, wird oft „Königin aller Instrumente“ genannt. Doch was genau steckt in diesen imposanten Instrumenten und wie entsteht deren Klangvielfalt? Zu diesen Fragen erhielt die Gehörbildungs-AG des HVGs am Montag den 1. Dezember 2014 in ihrer Führung durch das Orgelmuseum Borgentreich ausführliche Antworten!
Museumsleiter Jörg Kraemer empfing unsere kleine Gruppe bei „dezemberlichen“ Temperaturen im warmen Museumsgebäude, dem ehemaligen Rathaus Borgentreichs, das direkt gegenüber der Pfarrkirche St. Johannes Baptist steht. Der Dekanatskirchenmusiker leitete unseren Rundgang durch das Museum, der vor einer Miniatur-Version einer Orgel begann. Hier wurde der mechanische Prozess sichtbar, der dafür sorgt, dass bei Drücken der Tasten Ventile geöffnet werden und Luft in die einzelnen Orgelpfeifen strömen kann. Beim Anblick des separat ausgestellten großen Blasebalges wurde außerdem noch einmal jedem klar, wieso die Orgel zu den Blasinstrumenten gehört.
Fast jedes Ausstellungs-Stück des Museums steht unter dem Motto „Do It Yourself“ oder in diesem Fall „Press Or Play It Yourself“. So probierten wir neben verschiedensten Miniatur-Orgeln auch einzelne Pfeifen-Typen aus. Hierbei wurde deutlich, wie eine Orgel durch verschiedene Register ein ganzes Orchester simulieren kann. Die einzelnen Pfeifen sind nach Orchester-Instrumenten benannt, deren Klang sie nachahmen. 30 verschiedene Bauweisen, von der „Trompete“ bis zur „Vox humana“-Pfeife, die aufgrund der damaligen Singweise heute nicht nach menschlichem Gesang, sondern eher nach Schaf-Lauten klingt, standen zum Ausprobieren durch Tastendruck bereit. Die unterschiedliche Länge der Orgel-Pfeifen sorgt dafür, dass Register auch in verschiedenen Tonlagen auf denselben Tasten gespielt werden können. Über welch enormes Tonspektrum eine Orgel verfügen kann, hörten wir am Klang einer sehr kleinen Pfeife (nur 1 cm!), deren extrem hohe Frequenz für den Menschen an der Grenze des Hörbaren liegt. Das beeindruckende Gegenstück war die 10 Meter hohe Pfeife, die durch das ganze Museumsgebäude reicht. Deren „Brodeln“ ließ uns die extrem tiefen Frequenzen mehr spüren als hören.
Nach Einblicken in die Bauweise der Orgel-Pfeifen anhand originaler Werkzeuge und Vorrichtungen zum Gießen der Metall-Pfeifen, demonstrierte uns Herr Kraemer einige Walzen, in denen lange und kurze Stifte eingeschlagen sind. So gab es neben Drehorgeln und walzenbetriebene Flötenuhren beispielsweise auch kleine Drehinstrumente, die Melodien in Vogellauten simuliert, um Vögeln diese Melodien beizubringen.
Das abschließende Highlight war die Besichtigung der Barockorgel in der Pfarrkirche St. Johannes Baptist. Die größte Barockorgel Westfalens verfügt über 3019 Pfeifen und ihre ältesten Teile sind ungefähr dem 17. Jahrhundert zuzuordnen. Herr Kraemer überzeugte uns beim Vorspiel zweier Stücke von dem einzigartigen Klang der Orgel. Anschließend hatten wir das große Glück, ausnahmsweise selbst nach oben zu gehen, um die Bestandteile der Orgel genauer zu betrachten. Herr Kraemer berichtete von der aufwendigen Restauration der Orgel von 2005-2011, an der er selbst mit großer Hingabe beteiligt war und ließ seine Begeisterung für das Instrument auf uns übergehen. Mit den vorher gesammelten Informationen zur komplexen Bauweise einer Orgel, bildete die Besichtigung der Barockorgel für alle einen umso beeindruckenden Abschluss, der keine Frage mehr offen ließ!
Wir bedanken uns bei Herrn Kraemer für den eindrucksvollen Rundgang und empfehlen das Orgelmuseum Borgentreich sehr gerne weiter!