Jan räkelt sich, heute ist sein Geburtstag. Es ist sechs Uhr morgens, die Sonne geht langsam auf. Mutter und Vater schlafen noch. Jan steigt aus dem Bett und geht ins Bad. Zähne putzen, waschen, immer das gleiche. Heute aber mal gründlich, hatte die Mutter gesagt, Jan nimmt´s nicht immer so genau. Er zieht sich an, die Mutter hatte ihm seine besten Sachen hingelegt. Eigentlich würde er lieber heute im Sand spielen. Jan ist mehr ein Einzelgänger, er hält nicht viel von Geburtstagen. Da kommen dann die Nachbarskinder und spielen mit seinen Spielsachen. Freunde, na ja, so richtig Freunde hat er nicht. Eigentlich, sagt er, gehen die ihm auf den Geist. Jan läuft zur Haustür und öffnet sie. Angenehme Luft, sagt er sich.
Waldmanns, oder sagen wir besser Jan Waldmann, der hier die Hauptrolle spielt, saust in den großen Garten. Die Waldmanns, seine Familie, bewohnen ein eigenes Haus mit Garten auf einem Hügel vor der Stadt. Am Haus ist noch eine große Scheune. Der Vater betreibt als Nebenerwerb ein wenig Landwirtschaft. Die Mutter liebt ihre vielen Blumen und ihren großen Gemüsegarten. Auf den ist sie ganz stolz.
Jan besteigt die Leiter zu seinem Baumhaus, das der Vater ihm letztes Jahr gebaut hat. Er soll ja heute nicht im Sand spielen, aber das Baumhaus, das wird ja wohl noch erlaubt sein. Jan ist eigentlich kein Lausbub, aber er hat so seinen eigenen Kopf. In der Schule, er ist in der ersten Klasse, hält er sich ziemlich zurück. Jan ist von Natur aus sehr kreativ. Er malt sehr viel, nicht nur in der Schule. Am liebsten malt er auf dem Hof und auf der Straße. Kreide, und nichts als Kreide. Jan liebt Elefanten, er malt ständig Elefanten – groß, größer und noch größer. Sein größter war der auf dem Hof. Zwei Packungen Kreide.
Seit ein paar Tagen ist ein Zirkus in der Stadt. Heute am Geburtstag will der Vater mit uns allen dort hin.
Jan denkt, was ich wohl geschenkt bekomme? Neun Uhr, Frühstück. Es gibt Ei und Marmelade, Erdbeermarmelade. Bei Waldmanns ist fast alles hausgemacht, Früchte aus dem eigenen Garten. Jan leckt sich die Finger, hmmmm, Erdbeermarmelade. Heute ist Geburtstag, aber der Vater sitzt gleich nach dem Frühstück schon wieder auf dem Traktor. Jan läuft hinüber zu Oma und Opa im Nachbarhaus. Die Großeltern begrüßen ihn, die Oma streicht ihm übers Haar. Jan mag die beiden sehr.
„Opaaa, darf ich Luise sehen?“ Luise ist Jans liebstes Kaninchen. Beide gehen in den Garten zum Kaninchenstall. Opa öffnet das Gitter und Jan streicht Luise übers Fell.
„Heute, an Deinem Geburtstag, darfst Du sie auch mal auf den Arm nehmen.“ Mit einem Griff hat Jan das Tier auf dem Arm. Mit dem Kaninchen und den Großeltern vergeht der Vormittag wie im Flug.
Zwölf Uhr, Mittagessen. Es gibt Rindergrütze, Jans Lieblingsspeise. Danach Wackelpudding – Götterspeise. Wie lieb ich Götterspeise!
Am Nachmittag kommen die Gäste. Es ist zwei Uhr. Die Mutter fährt eine Riesentorte auf, mit sieben Kerzen. Jan bläst alle auf einmal aus. Die Gäste klatschen. Er packt sich gleich zwei Stücke auf den Teller. Es gibt Kakao und für die Erwachsenen Bohnenkaffee. Jans Mund ist ganz braun und seine Hose hat Sahne abbekommen. Die Nachbarskinder kichern. Um drei Uhr brechen alle auf zum Zirkus. Geschenke, ja Geschenke gibt es auch, aber später. Jan war schon ganz enttäuscht, er hatte sie eigentlich schon früher erwartet!
Der Zirkus, na ja der Zirkus!
Als sie zum Eingang kommen, steht da ein großer Elefant. Jan ist begeistert und strahlt. Die Nachbarskinder krümeln sich vor Lachen! Der Vater zeigt die Eintrittskarten vor und sie gehen ins große Zelt von Zirkus Barum. Ein Clown tritt auf, Jan lacht übers ganze Gesicht. Der fällt aber auch immer hin, der Clown, ha ha!
Dann kommen verschiedene Dressuren mit kleinen und großen Tieren. Elefanten, tatsächlich Elefanten: eine Dressur, die der Direktor vorführt. Jan kringelt sich vor Lachen über das Elefantenbaby. So ein süßes Ding! Es hält sich am Schwanz seiner Mutter fest und tapst immer hinterher.
Nach der Vorstellung ist Tierschau. Jan begrüßt den kleinen Elefanten und reicht ihm ein Stück Brot. Der Kleine tätschelt seine Hand und stupst Jan mit dem Rüssel aufs Gesicht. Jan weiß weder ein noch aus vor Freude – eine echte Jan-Elefantenfreundschaft, die sich da anbahnt. Der Direktor hat die beiden entdeckt und kommt auf sie zu. „Wie heißt der Kleine?“ ,fragt Jan. Der Direktor: „Friedolin, unser Bester!“ Jan: „Friedolin ist ein toller Name. Darf ich ihn morgen wieder besuchen?“ „Ja. Und du kannst, auch morgen bei den Vorbereitungen zu meiner neuen Show zusehen.“
Dann gehen die Waldmanns mit ihren Gästen nach Hause und der Geburtstag nimmt seinen Lauf. Jan freut sich zwar auch über die neuen Spielsachen, aber eigentlich war doch diesmal das Erlebnis mit dem kleinen Elefanten sein schönstes Geburtstagsgeschenk.
© Jens Große-Brauckmann